trésor, Kunstverein Pforzheim 26.2.-30.4.2006

Aus dem ursprünglichen Kunst-und Kunstgewerbeverein in Pforzheim sind sowohl der heutige Kunstverein als auch die einzigartige Sammlung des Schmuckmuseums Pforzheim hervorgegangen, die beide im von Manfred Lehmbruck 1961 erbauten Reuchlinhaus zu Hause sind. Die parallel zur Neueröffnung des erweiterten Schmuckmuseums geplante Ausstellung im Kunstverein sollte sich mit dem Haus und den besonderen Umständen beschäftigen. Die Idee, einen „Tresor“, einen abgeschlossenen Raum im Raum zu bauen, in dem sich ein „Schatz“ (franz. trésor ) von Zeichnungen befindet und gleichzeitig die Aussenwände vollständig zu entfernen war in Paris im Nachdenken über Schmuck und Architektur aus der Doppelbedeutung des Wortes entstanden, die es so im Deutschen nicht gibt. Sehr flexible Raumaufteilung, starke Rasterung und die Option der Entgrenzung, des Übergangs von Natur in Architektur und vice versa sind einige der Kriterien, die Lehmbruck und seine Bauten den japanischen Einflüssen verdanken, unter deren Eindruck sowohl Lehmbruck als auch sein Lehrer Gropius standen. Durch das Entfernen der kompletten Aussenhaut verwandelte sich der „white cube“ des Reuchlinhauses in einen lichtdurchfluteten Pavillon von erstaunlicher Leichtigkeit, der eine überraschende Rundumsicht in den Stadtpark ermöglichte. Das gebaute Haus im Haus von dem man zunächst nur die konstruktionsbedingte Aussenseite sah, bezog sich in seinen Massen und Proportionen auf den ihn umgebenden Raum, es war der um 90° gedrehte und im Verhältnis 2 : 5 verkleinerte Ausstellungsraum. Innen befanden sich 65 Zeichnungen, ausschliesslich liegend auf einem 4 x 5 meter grossen Tisch. Die Anordnung auf einem Tisch erlaubte eine sehr viel höhere Dichte als an einer Wand, vor allem aber – als Parallele zu den architektonischen Veränderungen – eine Entgrenzung des einzelnen Blattes. Das einzelne Blatt wurde so zu einem „stepping stone“ in einem Strom von Zeichnungen, die ineinander übergehen. Dadurch dass die Betrachter gemeinsam um einen Tisch mit Zeichnungen herum stehen oder gehen konnten, enstand eine völlig veränderte kommunikative Situation, ein Gespräch zwangsläufig nicht nur mit den Zeichnungen, sondern auch der Betrachter untereinander. Harald Kröner, Paris, 6.3.2006