Financial Times Deutschland 4.7.08 - KUNSTSTÜCK: Was haben Sie sich dabei gedacht, Herr Kröner ?

"Ich liebe Papier. Im Grunde bin ich ein notorischer Papiersammler: das können auch bestimmte bedruckte Papiere aus Alltagszusammenhängen sein, die in Zeichnungen oder Collagen eingehen. Das Papier für die Yappanoise-Zeichnungen ist ein sahniges, schweres und doch weich fliessendes, chamoisfarbenes Papier, das sehr stark auf Wasser reagiert. Einige der Linien werfen sich zu regelrechten Graten auf und dadurch verwandelt sich der grosse Bogen ( 100 x 150 cm in diesem Fall ) in ein dreidimensionales Relief. Das erst ermöglicht, dass sich der Schwarm der farbigen Markierungen in solcher Freiheit über die Fläche ausbreiten kann und die Zeichnung dennoch trägt. „Yappanoise“ ist ein Kunstwort, ein Wort, das James Joyce im „Finnegans Wake“ kreiert hat – dieses Buch ist eine total verrückte Spracherfindungskiste . Darin ist yap ( Kläffen ), Yappa ( Jubel ) ebenso wie Japan und eben : noise, Lärm. Die rhythmische Taktung des Blattes und das frei flottierende allover sind für mich auch visuelle Musik, Partitur, Paper-Noise. Zum Zeichnen habe ich farbige Tusche verwendet: ich schätze ihre Leuchtkraft und wie sich der Moment des Flüssigen konserviert, sichtbar bleibt. Mit der Tuschzeichnung sehe ich mich auch in einer japanischen Traditionslinie z.B. eines Sengai oder Hakuin, bei der es unter anderem um Spontaneität und Freiheit bei gleichzeitiger absoluter Formstrenge geht, um Tradition und – manchmal - sprunghafte Weiterentwicklung. Die Zeichnung hier handelt von Risiko, Lockerheit, Entschiedenheit, von Zufälligkeit und unverrückbarer Genauigkeit, letztlich von Chaos und Ordnung. Die Originalstelle bei Joyce geht übrigens so: „and if it was, in yappanoise language ach bad clap? Oo! Ah!“ in yappanoise language: das ist für mich mit das Faszinierendste an Zeichnung, dass jeder Zeichner, der sich zeichnend sein ureigenes Terrain erobert auch ein eigenes Universum, eine völlig neue Sprache erfindet. Und dennoch kann sie jeder sofort lesen. Wenn ich in einer Ausstellung, auf einer Messe, einen neuen Zeichner kennenlerne, fühle ich mich wie Kolumbus bei der Entdeckung eines neuen Kontinents, das ist sozusagen geistiges Neuland. Das Kunstwerk wäre dann, um in diesem Bild zu bleiben, das Ticket für die Reise."